von Peter Funken
In: Kunstforum, Band 181, 2006, S. 226
Tobias Hauser, geb. 1959 in München, Deutschland; lebt seit 1984 in Berlin, Deutschland.
In seinem viel beachteten Text "Jene zwanziger Jahre" formulierte Theodor W. Adorno 1962 in Hinblick auf die Kunst und Kultur der Gegenwart folgenden Gedanken:
"Der Begriff einer nach Auschwitz auferstandenen Kultur ist scheinhaft und widersinnig, und dafür hat jedes Gebilde, das überhaupt noch entsteht, den bitteren Preis zu bezahlen. Weil jedoch die Welt den eigenen Untergang überlebt hat, bedarf sie gleichwohl der Kunst als ihrer bewusstlosen Geschichtsschreibung. Die authentischen Künstler der Gegenwart sind die, in deren Werken das äußerste Grauen nachzittert."
Diese Wahrnehmung Adornos, sagt der in Berlin lebende Künstler Tobias Hauser, sei für ihn prägend gewesen, er verstehe sie, wie eine Mahnung und im Sinne eines einzulösenden Anspruchs.
Tobias Hauser, 1959 in München geboren, ist ein Künstler in dessen Werk die Idee einer politischen Kunst aufscheint, ohne dass er dem Missverständnis erliegt zu glauben, dass Kunst bereits Politik sei, sie ersetzen könne oder uns, die wir in der Demokratie am Prozess des Politischen teilhaben, von gesellschaftlichen Interessenskonflikten befreie. Vielmehr begreift er seine Arbeit - ähnlich wie es Thomas Hirschhorn bezeichnete - als eine "Kunst auf politische Art", als ein persönliches und öffentliches Störfeuer im Bereich des Ästhetischen und als eine Wirklichkeitsbeschreibung angesichts von Wirklichkeitslügen. Hausers Kunst lässt sich nicht als eine "bezahlte Polit-Provokation" verorten, die dem Künstler-Provokateur einen sicheren Platz in den Kunstmarkt-Charts sichert, sondern als eine tief gehende Auseinandersetzung mit den vermeintlich festgelegten Konventionen, Zeichensetzungen und Reglements einer Gesellschaft, die sich nach seiner Auffassung vor allem über Konsum, Konkurrenz, Nationalismen und einen fragwürdigen Arbeitsbegriff definiert.
Von 1979 bis 1983 studierte Tobias Hauser an der Kunstakademie Stuttgart bei dem Bildhauer Alfred Hrdlicka und dem Maler K.R.H. Sonderborg; in dieser Zeit war er Asta-Vorsitzender und gehörte zur Hausbesetzer-Szene. "Ende der 70er Jahre" - so Hauser - "fand bei mir eine rasende Politisierung statt". Stuttgart war damals eines der radikalen Zentren und Hauser lernte als Mitarbeiter bei der Emmaus-Bewegung des Abbè Pierre, die sich um Obdachlose kümmerte, einige Protagonisten der zweiten RAF-Generation kennen. Mit dieser radikalen und ideologisch festgelegten Fraktion kam es schon bald zum Bruch und Hauser, der sich damals dem anarchistischen Spektrum zurechnete, distanzierte sich von den autoritären Politgruppen, insbesondere von den so genannten "Anti-Impis", die als Unterstützer der RAF auftraten.
Stuttgart wurde ihm zu "heiß" und zu eng und er suchte und fand einen Ausweg.
Zum Jahresende 1983 ging Tobias Hauser zusammen mit der Malerin Beate Günther nach Wien: "Stuttgart war zu Ende, ich wollte zurück zur Kunst. In Wien war es damals schön ruhig und verglichen mit der aufgeregten Politszene in der Bundesrepublik geradezu neutral. In Wien habe ich im Kunsthistorischen Museum die Kunst wieder entdeckt, in Wien habe ich mich wieder kalibriert", sagt Hauser.
In Wien bekam er erste Kontakte zu Tanja Grunert, die damals eine Galerie in Stuttgart betrieb und bald darauf nach Köln ging. Durch Tanja Grunert bekam Hauser Kontakt zu einem Künstlerkreis, zu dem Peter Zimmermann, Thomas Locher und Thomas Grünfeld zählten und wurde zusammen mit den Genannten später Künstler der Galerie Tanja Grunert. In Wien entwickelten sich ebenfalls Kontakte nach West-Berlin, vor allem zu dem Verleger Klaus Bittermann, der 1980 in Berlin den Tiamat-Verlag gegründet hatte, wie auch zum Rhizom-Verlag.
1985 zogen Tobias Hauser und Beate Günther nach Kreuzberg und damit in einen Berliner Bezirk, in dem eine Lebensform möglich war, die Hauser faszinierte, denn hier schien die Verbindung von Kunst und Politik machbar. Diese Lebensform basierte auf situationistischen und surrealen Grundlagen. Im Fokus von Rhizom- und Tiamat-Verlag standen Anfang und Mitte der 80er Jahre Publikationen der antidogmatischen Linken sowie Texte von Linksdissidenten und Ästheten des Widerstandes, wie etwa Peter Weiss, Louis Aragon, Jacques Rigaut, Antonin Artaud, Arthur Cravan, Georg Glaser und Walter Benjamin.
In dieser vorrangig literarisch geprägten Atmosphäre findet Hauser zur eigenen Kunst und zu eigener Sprache. Er beginnt Holzobjekte herzustellen und verfasst Texte. Die damals entstandenen kleineren Holzarbeiten bezeichnet er als "Arbeiten im literarisches Format". Hauptsächlich entstehen signethafte Holzarbeiten. Hauser realisiert seine Bildvorstellungen in Form von Reliefs wie auch als Stempel. In der Kombination mit Schrift wirken sie wie Kommentare zum destruierten Leben in der Konsum- und Arbeitswirklichkeit. Als Zeichen für sein eigenes Schaffen entwickelt Hauser das Signet der "Hauser-Werke" - drei dynamisch nach rechts fliegende, wie momentan vom Stamm getrennte Tannen - sowie das Kunstwort ARBITER, das der Bedeutung nach zwischen den Begriffen Arbeiter und arbiträr (dt. willkürlich) oszilliert. Das lateinische Wort Arbiter bedeutet zudem Schiedsrichter oder "Ausnutzung der Kursunterschiede an verschiedenen Börsen".
Eine der eindrücklichsten Arbeiten aus dieser Zeit ist sein "Haus des deutschen Volkes", eine simple Hütte mit Satteldach, aus dem zwei schwarze Fahnen herausragen.
Seit 1987 entstehen erste größere Arbeiten, etwa die Installation "Spandau", für die sich Hauser massive Holzbalken aus dem Berliner Stadtteil besorgt, diese zu einem dunklen Säulenfeld zusammenstellt, wobei er die Balken in ihrem oberen Teil mit geschnitzten Schlachtszenen versieht. Es ist das Jahr, in dem der Naziverbrecher Rudolf Hess als letzter Häftling im Spandauer Gefängnis stirbt. Die Alliierten schleifen das Gebäude zu Staub, so dass kein Ort entstehe für nazistische Gedenkrituale.
Hauser geht es bei seiner Arbeit um eine radikale Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, gerade mit ihren dunkelsten Kapiteln, und in der Wahrnehmung des eingangs zitierten Gedankens Adornos, dass die Welt nach Auschwitz, der Kunst als bewusstlose Geschichtsschreibung bedarf und dass in ihren Werken das äußerste Grauen nachzittern solle.
Ende der 80er Jahre entstehen weitere Arbeiten zur deutschen Geschichte, so etwa das farbig gefasste Relief "Die Große Abendschlacht", mit der sich Hauser auf die Beschreibung des Pergamon Altars in Peter Weiss' "Ästhetik des Widerstands" bezieht. In dieser Arbeit erscheinen erstmals die für Hausers Werk typische Insignien der Macht, wie etwa Waffen, Schädel, Mützen und Atomkraftwerke.
Parallel zu dieser Arbeit realisiert der Künstler erstmals einen Objektkasten, den er in kleiner Auflage herausbringt. Von da an entstehen immer wieder zu den großen Arbeiten Auflagenobjekte und Künstlerbücher, in denen Hauser ein apokalyptisches Szenario angesichts von Kaltem Krieg und atomarer Bedrohung in Bild und Text zeigt. Hausers Arbeiten reagieren in dieser Zeit auf ein tief sitzendes Unbehagen, das durch Ereignisse wie den Nato-Doppelbeschluss oder die Katastrophe von Tschernobyl ausgelöst wird. Rückblickend ist es ist eine bleierne, angehaltene Zeit, die erst mit den Entwicklungen von 1989/90 wieder in Bewegung geraten wird. Wichtig an Hausers Arbeiten in der zweiten Hälfte der 80er Jahre ist jedoch jenseits der angeschnittenen gesellschaftspolitischen Themen, die erkennbare Beherrschung der großen Form und damit eine neue plastischen Qualität, die Raum greifend wirkt.
1992 entsteht für eine Ausstellung in der Galerie Hans Jörg Müller, Stuttgart die Installation "Die Klasse": auf vier Tischen ruhen übergroße Köpfe der Hauser'schen Helden. Es sind dies Foucault, Beuys, Beckett und Joyce. Auf vier weiteren Tischen liegen aus Holz geschlagen vier "Denkblasen", es sind alle samt Formen, die zugleich abstrakt und surreal erscheinen und als Veranschaulichung von Denkformen verstanden werden können.
Mit den politischen Ereignissen in Mittel- und Osteuropa im Jahr 1989, mit dem Fall der Mauer und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten entsteht mit Beginn der 90er Jahre eine völlig neue Situation, die schon bald nationale, internationale und geopolitische Veränderungen hervorbringt. Als Reaktion auf die sich anbahnende neue politische Ordnung realisiert Hauser im Februar 1993 eine Installation im Außenraum, die den Titel "White Headquarter" trägt. Die Installation, die aus einem weißen Container, Skulpturen in Rauminneren, einem Notstromaggregat und einer Außenleuchte besteht, findet für zwei Wochen ihren Platz in unmittelbarer Nähe des Brandenburger Tores, dort wo derzeit die neue amerikanische Botschaft gebaut wird. "White Headquarter" ist eine autonome Einheit in Form eines White Cube. Täglich kann man von 18-24 Uhr durch zwei Fenster in den Container hineinblicken und sieht dort auf Tischen und an den Wänden heraldische Skulpturen, die als Zeichen der Macht zu verstehen sind: "Ich wollte ein mobiles Headquarter zeigen", sagt Hauser, "eine funktionierende Einheit, die als Zentrale einer Eingreiftruppe sofort und überall an den Brenn- und Krisenpunkten der Erde agieren kann - heute in Berlin, morgen in Bosnien, Somalia oder im Irak ..."
Hauser versteht diese Installation als eine künstlerische Veranschaulichung der Machtverhältnisse in der neuen Weltordnung. Sie ist eine Reaktion auf eine Pax Americana, den ungebrochenen Glauben an Kapitalismus mit weltweitem Anspruch auf Macht und Energie. Diese Arbeit, die Hauser nach dem Irakkrieg von 1990 hergestellt hat, findet knapp 10 Jahre später und keine 500 Meter entfernt eine Art von Pendant mit seiner Installation "Walden". Im Sommer 2002 ist mittlerweile auf dem immensen Brachgelände, wo sich Mauer und Todesstreifen befanden, der neue Potsdamer-Platz als Shopping-Mall, Büro- und Verwaltungs-Center entstanden mit zahlreichen repräsentativen Bauten. Auf einer der letzten Freiflächen, die heute bebaut ist, installiert Hauser den exakten Nachbau der Blockhütte des Philosophen Henry D. Thoreau (1817-1862). Thoreau verfasste während seiner Zeit am Walden-See ein Tagebuch - "Walden; or life in the woods" (1854). Seine Essays verbinden präzise Naturbeobachtung mit mystischen Meditationen. Als Sozialkritiker ein radikaler Nonkonformist, kämpfte Thoreau gegen die Sklaverei. Die Lebensideale der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft führten ihn zum Protest gegen Staat und Politik. Thoreaus Holzhaus ist im Original nicht erhalten, es gibt einen Nachbau in den USA. Anders als bei diesem, konnte man aber Hausers Walden-Hütte - genauso wie das White Headquarter - nicht betreten; auch gibt es keine Einrichtung im Inneren des Holzhauses, zudem hat Hauser kaum Wert auf traditionelle Zimmermannsarbeit gelegt: die Balken des 3x4,57 Meter großen Baus werden von Spax-Schrauben zusammengehalten. Hauser ging es bei dieser Arbeit nicht um eine getreue Kopie, sondern um eine Art von Modell oder 3-D-Bild des Thoreau'schen Blockhauses. Damit schuf er eine Situation, die den BetrachterInnen eine unerwartete Reflexion über Funktion und Qualität des Potsdamer Platzes ermöglichte, so als würde man ein Tableau betreten, in dem man selber zum Akteur wird; dergestalt war man nicht länger der Konzernarchitektur ausgesetzt, denn man begegnete mit dem Thoreau'schen Blockhaus ihrem Gegenmodell. Hatte der Container des White Headquarter an einen Treffpunkt des Ku-Klux-Clan erinnert, der wie ein seltsam unbestimmter Störfaktor im Aufbruchsfieber der Neugestaltung des Berliner Zentrums wirkte, so kommentierte die Installation "Walden" die städtebauliche und soziale Situation in Berlins neuer Mitte. Sie produzierte in unmittelbarer Nähe zu den Konsumtempeln des Potsdamer Platzes ein skulpturales Gegenbild, das in sich ein Stück der Wahrheit speicherte, das die modernistische Konsum- und Leistungsarchitektur verleugnet und nicht zur Sprache bringt. Hausers Schindelhütte ist somit eine Art von anarchistischem Widerspruch zur blanken Ästhetik des Geldes, es ist eine Gegenüberstellung mit primitiven Mitteln. Gerade deshalb aber funktionierte sie in einer fertig gemachten Umgebung und störte ohne zu provozieren. Für den Potsdamer Platz in seiner Mittelmäßigkeit war Hausers Hütte einfach zu einfach, zu wenig am Luxus und zu sehr am Notwendigen orientiert. Diese Arbeit formulierte offensichtlich nicht einmal Kritik, sondern verwies auf das Übergangene und Abwesende - auf etwas Fehlendes, dass die Absurdität des vermeintlich Normalen konterkariert. In dieser Arbeit lag kein Appell zu Systemveränderung, kein "Krieg den Palästen, Friede den Hütten", aber auch keine Predigt für einen "Burgfrieden" zwischen Kunst und Konsum, Kunst und Eventkultur.
"Auslöser für "Walden", so Hauser, "waren die Ereignisse von 11. September in New York und der anschließende Krieg in Afghanistan". Mit dem Blockhaus-Zitat und Thoreaus Kritik am amerikanischen System wollte Hauser auch auf die "Urdemokratie der amerikanischen Gründerväter" hinweisen, die sich gegen jede Form des Fundamentalismus richtete: "Thoreau hat zusammen mit Waldo Emerson und Walt Whitman in seiner Zeit etwas in die Wege geleitet, das die USA von einem fundamentalistischen Staatsgebilde wegführte und ein demokratisches Amerika begründete." Der Künstler versteht seine Installationen "White Headquarter" und "Walden" als Ausdruck der Empathie mit der demokratischen Tradition in den USA und als Zeichen gegen die deutschen Ressentiments den USA gegenüber. In diesem Sinne begreift er die "Walden"-Installation als ein potentiell mächtiges Bild gegen jeglichen Fundamentalismus. Sowohl "White Headquarter" wie "Walden" entstanden ohne Fördergelder, allein aufgrund der Initiative des Künstlers.
Ausgelöst durch den Irakkrieg von 1990 und den Krieg in Jugoslawien begann sich Hauser in seinem Werk zunehmend mit der plastischen Darstellung von Waffen, ihrer Bedeutung und Verfremdung zu beschäftigen. Zur Gruppe dieser Arbeiten zählt neben einer Serie von Pistolengriffen, eine Reihe von frei stehender Skulptur - so etwa die Arbeit "Microphones", die sich aus drei labil stehenden Elementen zusammensetzt. Hauser definiert die drei Mikros als Zwischending von Gewehr, Fleischspieß und Mikrofon. Er bezieht sich mit dieser Arbeit auf die zentrale Rolle der Info- und Propagandamedien in modernen Kriegen. In ihrer plastischen Form und in der Verbindung von glänzendem Metall und poliertem Lindenholz sind die Mikrofone so elegant wie abstoßend. Während der Übertragung einer Pressekonferenz von General Schwartzkopf, äußerte die Schriftstellerin Gabrielle Göttle, dass dessen Tarnkleidung eigentlich durch Mikrofon-Camouflage zu ersetzen sei. Durch diese Bemerkung - sagt Hauser - sei er auf das Thema der Mikrofone gekommen. Andere Arbeiten, wie die Bronzen "Mikrophon-Weste" oder "Camouflage-Hose", stehen in thematischer Verbindung und verweisen ebenfalls auf die mediale Abstraktheit moderner Kriegsführung.
"Heute, wo sich das Politische zunehmend personalisiert hat, ist die eigene Verantwortung wieder gefragt", meint Hauser, "ich nehme die Perspektive der Macht ein, als Künstler - eigentlich setzt das schon mit der Typenbezeichnung "Hauser-Werke" ein".
"Die Perspektive der Macht" einnehmen, das bedeutet aus der Sicht der Kunst "Klartext zu reden" und gegen das Umdeutungs- und das Verdrängungsvokabular der Mächtigen starke Bilder und klare Formen zu stellen: "Warum kauft die Bundeswehr, die Polizei, das Innenministerium Seichtigkeiten zur Dekoration? Dort müsste man doch "Waffenkunst", also Waffenfetische erwerben, wenn man ehrlich wäre, aber so funktioniert Gesellschaft", sagt der Künstler: "Meine Kunst insistiert genau an dieser Stelle, ich produziere, um Macht erkennbar und kritisierbar zu machen - im eigenen Auftrag."
Hausers Erfahrungen mit der Serie großer "Pistolengriffe" bestätigt seine These vom "Fetisch Waffe". In Lindenholz gefertigt, zeigen diese Arbeiten in übergroßem Maßstab Reliefs von Pistolenhandgriffen. Sie erinnern durchaus an Waffen und Waffengebrauch, sind aber gleichfalls aufgrund ihrer Dimension und der Präsentationsform auf Metall, plastisch unabhängige Formen. Bei Ausstellungen wirkten die "Pistolengriffe" als Zuschauermagneten - natürlich hauptsächlich für Männer, die sich für Waffen und den mit ihnen verbundenen Power-Appeal interessieren: "Auf dem Kölner Kunstmarkt war ein Mann dermaßen von dem polierten Griff der Luger-Pistole fasziniert, dass er die Arbeit streichelte und sie sofort kaufen wollte; seine Frau bremste ihn mit der sinnigen Bemerkung: "Die kaufst Du nur über meine Leiche!", erzählt Hauser.
Ein wiederkehrendes Thema in seiner Kunst behandelt die Frage der Arbeit und ihre Zukunft: Wie ein Denkmal für das Ende der Arbeit wirkt dabei Hausers 1995 entwickelter, grün patinierter Bronzeguss "In Zeiten der Ruhe", der eine Kettensäge darstellt, deren Kettenblatt von Lorbeerblättern umfangen ist. Eine Öllache aus Bronze hat sich unter dem Gerät gebildet. Aus dem funktional-gefährlichen Werkzeug, das auf einer Seite das ARBITER Signet trägt, ist ein schöner Gegenstand geworden, der Kraft und Ruhe verströmt.
Seit 2002 arbeitet der Künstler in der Hauptsache in seinem Berliner Atelier an Einzelstücken und Serien. Es entstehen so genannte "Bones" - das sind an Dornenwuchs oder geflechtartige Verknöcherungen erinnernde reliefartige Formationen, die Hauser mit dem Stemmeisen und der Stichsäge aus MDF-Platten herausarbeitet. Mit diesen flächigen Gittern aus Holz druckt er auf Papier, er kombiniert verschiedene "Bones" ebenfalls zu übereinander liegenden Skulpturen in Rechteckform, die er bemalt. So entstehen Bildkörper, die plastische Eigenschaften besitzen. Die wie organisch gewachsenen "Äste" der "Bones" haben lineare Qualität, aber keinen ornamentalen Charakter. Die "Bones" erinnern durchaus an spätgotische Schnitzarbeiten, wie man sie von der sakralen Kunst Tilmann Riemenschneiders oder Michael Pachers kennt und sind doch Werke, die einen abstrakt-konkret Ausdruck besitzen und dabei ebenfalls an die Knochenberge zu gemahnen scheinen, auf denen wir unsere Existenz aufgebaut haben.
Gegen Adornos Verdikt, es sei barbarisch nach Auschwitz Gedichte zu schreiben, setzte Paul Celan die Figur des "unter dem besonderen Neigungswinkel seiner Existenz" sprechenden Dichters, der Gedichte schreibt, die ihrer Daten eingedenk sind. Ohne die Perspektive Paul Celans mit der von Tobias Hauser zu verwechseln, kann man das Schaffen Hausers durchaus als eines bezeichnen, das unter dem "besonderen Neigungswinkel seiner Existenz" entstanden ist - es ist eine Existenz, in der sich Kritikfähigkeit und der Wille zur Form begegnen - ohne modische Attitüde - gerade diese Eigenschaften machen die Aktualität von Hausers Werk aus.