Beobachtungen im Tempelhofer Park

von Peter Funken



Seit dem 8. Mai 2010 ist der Tempelhofer Park, der sich auf dem ehemaligen Flugfeld Berlin-Tempelhof befindet, für die Öffentlichkeit zugänglich. Das Betreten des umzäunten Geländes ist tagsüber durch acht Eingänge möglich. Das neue Erholungsgebiet auf der Teltowhochfläche umfasst 300 Hektar. Damit ist der Park auf dem ehemaligen Flughafengelände, noch vor dem Großen Tiergarten, Berlins größter Park. Im Jahr 2017 soll hier die Internationale Gartenbauausstellung stattfinden. Mit dem Parkbetrieb ist die Grün Berlin GmbH von der Senatsverwaltung beauftragt.

Befindet man sich inmitten dieses weitläufigen Geländes, so erscheint die Stadt Berlin kaum noch greifbar - so distanziert ist der Fernsehturm am Alexanderplatz, seine Silberkugel ist über die Entfernung nicht größer zu erkennen, als ein Stecknadelkopf. Aber auch die Architekturen in der Umgebung des Parks wirken entrückt und manchmal wie in Schieflage. Von der Höhe des Tempelhofer Berges erscheint die Perspektive auf die Stadt eigenwillig verzerrt. Allein die flach gestreckten Gebäudekomplexe des Flughafens können den Dimensionen des Parks etwas entgegen halten. Das an städtische Dichte und urbane Linienführung gewöhnte Auge muss sich erst an die Weitläufigkeit dieser Parklandschaft gewöhnen. Dann aber gewinnt man den Eindruck eines freien Raums, dem man so in einer Großstadt nirgends begegnen kann. Das Auge kann in die Ferne schweifen und findet darin kaum Orientierung - weder Baumgruppen noch Wasserflächen zerteilen das Areal in nachvollziehbare Maßeinheiten, keine Alleen, Wege oder Denkmale geben dem Blick Halt in diesem Wiesenmeer, das sich annähernd rund geformt über 3 Millionen Quadratmeter erstreckt.
Nur die zwei breiten Betonpisten, die das Gelände in west-östlicher Richtung zerschneiden sowie Bebauungen am Rande bilden so etwas wie Anhaltspunkte. Aufgrund seiner gewaltigen Dimension ist dieser Park vor allem für Radfahrer, weniger für Spaziergänger geeignet. Mit dem Rad erschließt sich das Areal bequem. Der Park lädt zum Durchfahren und zur Bewegung ein, Ausruhen und Verweilen hingegen kann man an seinen Rändern, wo Liegestühle aufgestellt sind, sich Gaststätten und eine "Speaker´s Corner" befindet, wo man vor Publikum seine Meinung Kund tun kann.

Meist streicht ein beachtlicher Wind über die Erhebung, die auf der südlichen Seite von der Stadtautobahn, auf zwei weiteren Seiten durch Verbindungsstraßen begrenzt wird. Gegen Osten erkennt man die Miethäuser von Neukölln direkt an einem der Parkeingänge. An diesen befinden sich Infostände mit Aussichtplateaus. Der Wohnwert der Lage wird steigen, befürchten die Anwohner. Für den südlichen Teil des Parks ist ein Innovationspark geplant. Zur besseren Erreichbarkeit wird ein neuer S-Bahnhof das Gelände erschließen, auch ist eine Fußgängerbrücke über Autobahn und S-Bahn-Trasse vorgesehen.

In der Parkanlage gibt es Grillplätze, Flächen für Hundeauslauf und vor allem große Reservate für die Tiere, die hier siedeln, etwa Feldlerchen und viele seltene Insekten. Man hat auf dem Gelände 236 Bienen- und Wespenarten entdeckt, 40 davon galten bislang in Berlin als unbekannt oder verschwunden. Auf den frischen Glatthaferwiesen und dem Sandtrockenrasen trifft man Strohblumen an, Feldbeifuß, Heide- und Grasnelken, Graukresse, fünfmänniges Hornkraut, Sandvergissmeinnicht und Fingersteinbrech. Bei diesen ungedüngten Arealen spricht man zu Recht von einem Wiesenmeer.

Die Grünbereiche an den Flugpisten sind derweil die Freude der Freunde des Drachensteigens, die den Luftraum über dem Tempelhofer Feld zurück erobert haben. An einem Nachmittag zählt man leicht an die 100 Drachen jeglicher Größe, Farbe und Form.

Der Airport Tempelhof besaß eine lange Geschichte: Sie begann 1909, als Orville Wright mit seinem Flugapparat hier Rekordflüge unternahm. Tempelhof war einer der ersten Verkehrsflughäfen Deutschlands und nahm 1923 den Linienverkehr auf. 1924 begann der Bau der großen Flugzeughallen. Mit der neoklassizistischen Architektur des Flughafens Tempelhof ab 1934 durch Ernst Sagebiel wurden erstmals alle Anforderungen eines modernen Großflughafens organisiert. Den Flughafen, damals das größte Bauwerk weltweit, konnte man per U-Bahn erreichen, dies war damals einzigartig. Erweiterungsbauten fanden während des Krieges statt als man in Tempelhof Bomber baute und Zwangsarbeiter aus vielen Ländern versklavte. Nach dem Krieg wurde Tempelhof amerikanischer Militärstützpunkt, der von der Air Force genutzt wurde. Nach wie vor stehen die beiden "Rosinenbomber", die an die Berlinblockade der Jahre 1948/49 erinnern, am Rande der Parklandschaft am Columbia Damm. 1985 wurde Tempelhof wieder für den Zivilflugverkehr eröffnet. 1990 zählt man über 400.000 Fluggäste, doch die Entscheidung für den Bau des Airport Berlin-Brandenburg wie auch die Unzumutbarkeit des Flugbetriebs für die Bevölkerung brachten im Oktober 2008 das Aus für den Flugbetrieb.

Mit dieser Entscheidung ist gegen ein Bürgerbegehren, das 2009 scheiterte, etwas sehr Positives eingetreten. Mit dem Park erschließen sich ungeahnte Möglichkeiten für die Entwicklung Berlins als Großstadt der Zukunft, in der nicht nur städtisches Leben stattfindet, sondern auch Platz für ein Stück Naturlandschaft ist.

Der Park ist dabei aufgrund seiner Dimension und Gestalt zudem eine Spielfläche für moderne Freizeitbedürfnisse - er lädt vor allem zu Bewegungsaktivitäten ein, zum Radeln, Joggen und Skaten.
Dass auf dem ehemaligen Flugfeld nun Drachen und nicht länger Jets starten, erscheint wie das Sinnbild für eine nunmehr tatsächlich zu entwickelnde ökologische Wende, die nicht nur die Stadt, sondern das ganze Land ergreifen sollte.

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