EMBEDDED ART - Kunst im Namen der Sicherheit

Berlin, Akademie der Künste
21.1.2009 - 23. 3.2009

von Peter Funken, 2009


Bereits auf dem Weg zum Pariser Platz wird man auf die Ausstellung EMBEDDED ART in der Akademie eingestimmt: die Britische Botschaft gleicht einer Festung, bewaffnete Polizei, hochgefahrene Poller auf beiden Straßenseiten, Wachen vor dem Adlon-Hotel, wieder Sicherheitspoller rund um das Brandenburger Tor, Polizeistreifen, überall Videoüberwachung. Der "Kampf gegen den Terror" macht's möglich, der "Kampf gegen den Terror" ist nötig? Ich weiß es nicht, doch hege ich Zweifel, die sich mittlerweile gegen viele Entwicklungen im gesellschaftlichen und politischen Prozesses richten, liefern doch die Ereignisse der letzten Monate, also Finanz- und Wirtschaftskrise, Beweise dafür, dass das Sicherheitsdenken in zentralen Bereichen völlig unterentwickelt gewesen sein muss.

EMBEDDED ART beschäftigt sich mit den Bedrohungen eines freien öffentlichen Lebens nach den Anschlägen von 9/11, Madrid, Moskau und London. Fragen der Sicherheit haben den Alltag von Millionen Menschen im 21. Jahrhundert verändert. Seit der Terror die Metropolen der USA und Europas erreichte, hat sich der staatliche Zugriff auf den Bürger ausgeweitet. Im Dienst einer allumfassenden Gewährleistung körperlicher, politischer und staatlicher Unversehrtheit ist Sicherheit zu einer neuen Ideologie, zum "Mantra" der zivilen Gesellschaft geworden.
Für EMBEDDED ART haben die Kuratoren Olaf Arndt, Moritz von Rappard, Janneke Schönenbach und Cecilia Wee von der Künstlergruppe BBM 42 internationale Künstler beauftragt, auf die aktuelle Situation zu reagieren. EMBEDDED ART zeigt ausschließlich Arbeiten, die "eingebettet" vor Ort oder vor dem Hintergrund komplexer Recherchen realisiert wurden. Die Werke fokussieren auf das Konfliktfeld von Terror und Angst, auf Sicherheit und Kontrolle. Die Künstler konzentrieren sich vornehmlich auf drei Gebiete: die "neuen Bedrohungen", die zumeist technischen Reaktionen darauf und die sich hieraus ergebenden Veränderungen der Gesellschaft.
Der Begriff "embedded" entstand während des 1. Irak-Kriegs, als die US Army eingedenk ihrer Erfahrungen mit der relativ freien Kriegsberichterstattung im Vietnamkrieg, dem unabhängigen Journalismus einen Riegel vorschob und Reporter nur noch zusammen mit den Truppen ins Kampfgebiet ließ. Das Thema ist nicht neu, aber es ist aktuell und brisant, denkt man etwa an die Desinformationslage während des Gaza-Kriegs.
EMBEDDED ART handelt von Krieg, Innen und Außen, von Vertrauensverlust, Machtmissbrauch, den Methoden, die dabei angewendet werden. Gleich eingangs gibt es dazu eine beeindruckende Installation: Inmitten biederer Wohnzimmermöbel zeigen Andrée Korpys & Markus Löffler ihr Video "Gesang der Jünglinge". Der Film handelt von Selbstversuch deutscher Polizisten mit Taser-Schock-Pistolen, an deren Wirkung in den USA pro Jahr 100 Menschen sterben. Aus geringer Distanz abgefeuert, bohren sich verkabelte Geschoße in den Rücken der Probanden, die unter massiven Schmerzen zusammenbrechen - "als ob mir jemand alle Nerven herausziehen würde ..." äußert ein Polizist. Gegen den Plan von Innenminister Schäuble darf die Waffe in der BRD nicht eingesetzt werden.
Bei dem Beitrag der Künstlergruppe BBM ("Beobachter der Bediener von Maschinen") handelt es sich um einen kleinen Roboter namens "Kynex", der - so der Pressetext - im Auftrag des Innenministerium des Kosovo von BBM entwickelt wurde. Sensoren und Optik sollen helfen, illegale Grenzübertritte oder Unruhen im öffentlichen Raum zu observieren. Die mit Camouflagestoff überspannte Maschine macht einen primitiven und doch raffinierten Eindruck. Weitere Beiträge im Erdgeschoß sind zum Teil hoch technisch und erschließen sich nur nach intensivem Studium.
Immerhin läuft hier das Video "Organ Market" von Sally Gutierrez, das in Tondo, einem Distrikt der philippinischen Hauptstadt Manila, entstand. Die Tondo-Slums gehören zu den ärmsten, am dichtesten besiedelten Gebieten Asiens. Man lebt hier vom Organhandel, eine "gespendete" Niere kostet rund 2000 Dollar. In den Slums begegnet das menschliche Elend einer modernen Transplantationstechnik, die Reichen lassen sich auf Bestellung die Organe der Armen liefern.

Im Erdgeschoß der Ausstellung gibt es einen Raum mit großen Projektionen, die Aufnahmen von Überwachungskameras aus den drei Kellergeschoßen der Akademie einspielen. In diesen Ausstellungsteil gelangt man nur bei einer der halbstündigen Führungen. Während der Führung darf weder telefoniert werden, noch darf man die Gruppe verlassen. Für die Führungen wurde das Personal von Jacques Coetzer eingekleidet - die Männer bekamen schusssichere, maßgeschneiderte Westen im Karo-Look, die Frauen Westen aus Seide oder Brokat. Eine (Plastik)Pistole, Walkie-Talkie und Alarmpfeife ergänzen das modisch-elegante outfit, Es geht per Aufzug in die Unterwelt. Hier sind u.a. Fotoserien von Verhaftungen in Pakistan zu sehen (Zahid Hussein), von polizeilichen und rassistischen Überfällen in Berlin (Jörg Möller), eine Installation zur Wirkung von Sprengbomben und ebenfalls eine aufregende Bilderserie; sie trägt den Titel "Five Peace-Monsters", stammt von moritz® und zeigt in karikierendem Stil die Erfinder von nicht-tödlichen Waffensystemen und Personen, die militärischen Strategien neu Impulse gaben: John Cover, der Erfinder der Taser-Pistole wird gezeigt, James Channon, Militärguru, der die utopische Friedensarmee 1st Earth Battalion erfand, der Russe Selivanov, dessen Chemiewaffen bei der Befreiung und Tötung der Geiseln im Moskauer Musicaltheater eingesetzt wurden, Janet Morris, die eine Firma für Noise- und Mikrowellen-Waffen besitzt und strategische Schriften veröffentlicht und Colonel John B. Alexander, der die PSI-Abteilung der US Army leitet, mit reiner Gedankenkraft töten will und die Bundesregierung in Sachen neuer Waffentechnologie berät.All diese Weltbeglücker waren früher Hippies, heute sind sie bekennende Esoteriker.

Der Ausstellungsrundgang endet in einer unterirdischen Halle. Hier hängt die 7 m hohe mixed-media Arbeit "Inside the Room" von Peter Kennard & Cat Picton Philipps, die den NORAD War Room der US Airforce zeigt - die Überwachungszentrale, die die 9/11-Flüge aufzeichnete. Nirgendwo besser, als an dieser Stelle, erlebt man die Hilflosigkeit herkömmlicher, künstlerischen Mittel - etwa der realistischen Malerei angesichts von Systemen, die under-cover operieren, im Virtuellen angelegt sind oder mit großer Brutalität in Erscheinung treten. "Inside the Room" entstand für die Ausstellungshalle - bietet aber kaum mehr, als einen, Phänomene abbildenden, jedoch nichts sichtbar machenden Naturalismus - die pure Überhöhung fotografischer Vorlagen. Zwar berichtet die Texttafel über NORAD - doch so groß das Bild auch ist, so sagt es doch wenig aus. "Jenin Jenin" (2002), das Video von Alexander Krohn & Mohammed Bakri, zeigt einen israelischen Bombenangriff, zeigt zerrissene Körper, schockt mit Detonationslärm. Der Tot beeindruckt, doch hätte man ähnliche Bilder bei einer Selbstmordattacke in Jerusalem oder anderswo aufnehmen können. Bilder von Krieg und Terror findet man heute bei You Tube und auf vielen Kanälen - dafür bedarf es keiner Ausstellung. Die 20-Uhr-Nachrichten vermeiden solche Aufnahmen, aber so wenig sie neu sind, so wenig tragen sie trotz ihrer brutalen Anschaulichkeit zum Begreifen des Themas bei. Hier zeigt sich das Problem von EMBEDDED ART, die Kuratoren haben zu sehr auf die Überzeugungskraft von Bildern gesetzt, aber die Schreckensbilder sind abgenutzt, sie sind in den elektronischen Medien immer und sehr vielen zugängig.

Das Thema von Kontrolle, Überwachung und ihrer Folgen wird zuweilen in der Ausstellung viel zu weit gefasst, zuweilen nicht wahrgenommen: Beispiele für den vertrauenslosen Umgang mit der eigenen Bevölkerung gibt es derweil genügend, und so hätte man bei EMBEDDED ART durchaus thematisieren sollen, dass die EU zunehmend zu einem Kampfbündnis mutiert oder dass ab 2010 elektronische Pässe eingeführt werden, die mit freien Chips für zukünftige Kontrollideen ausgestattet sind. Die Ausstellung hat das Manko, dass sie ihr Thema zu sehr im Illustrativen belässt und auf Spektakuläres setzt: natürlich ist es "interessant" einem Guide in die Keller der Akademie zu folgen und dabei zum Bestandteil der Ausstellung zu werden - aber das Spektakel der Führung bleibt viel zu harmlos.
Verglichen mit der Begehung von Gregor Schneiders labyrinthischer Guantanamo-Installation "Weiße Folter" im Düsseldorfer K21 (2008) erscheint EMBEDDED ART oberflächlich. Die Kuratoren vertrauen weder der Kunst, die nur in Ausnahmen und dann zumeist bei den Dokumentationen wirkungsvoll argumentieren kann, noch der Kraft politischer Aufklärung. Hätte man auf letzteres gezielt, dann wäre die Organisation eines Anti-Kontroll-Tribunals wahrscheinlich sinnvoller gewesen, als eine Ausstellung. Für solche Aktionen scheint in der Mediokratie derzeit politisches Bewusstsein, Hoffnung und Mut zu fehlen - ein Che Guevara-T-Shirt ist allemal chicer und der Besuch der Bar "Zur inneren Sicherheit" amüsanter, als der Versuch politischen Protests einer Bürgerbewegung. Mag sein, so etwas fängt in der Bar an ... Immerhin nachahmenswert ist die Arbeit von Akademiepräsident Klaus Staeck, der an "Remotewords" (Achim Mohné, Uta Kopp) künstlerischem Langzeitprojekt teilnahm und auf dem Dach der Akademie ein Fotografierverbot aussprach: In großen roten Lettern steht dort geschrieben: "Off limits for Google".

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