Adem Yilmaz, Raum und Plastik„Der Raum und die Plastik" heißt eine Installation von Adem Yilmaz in einem großen Haus des Hagen-Gebäudekomplexes. So lapidar dieser Titel klingt, so zutreffend ist er doch, bezeichnet er nämlich die in der skulpturalen Arbeit von Adem Yilmaz immer stärker in den Vordergrund tretende Intention, Skulptur nicht allein auf den Raum hin zu konzipieren, sondern Raum und bildhauerischen „Eingriff" zu einer Einheit verschmelzen zu lassen. Oder noch ganz anders formuliert: „Der Raum und die Plastik" ist die selbstverständlich formulierte Aufgabenstellung für jeden Bildhauer. Yilmaz hat sie jedoch in einigen seiner Installationen in einem so radikalen Sinne thematisiert, daß sich unwillkürlich die Frage stellt, wie weit man dieses ungemein artifizielle Vexierspiel zwischen Einbeziehung räumlicher Gegebenheiten und künstlerischer Aus- und Umdeutungen wohl noch treiben kann. Bei „Der Raum und die Plastik" sind die Wände mit Flammenruß stumpfschwarz bemalt, die gußeisernen Säulen dagegen, die den Raum rhythmisierend gliedern, sind dunkelrot. Eine Tür zu einem Nebenraum ist goldfarben angelegt. Von den gewölbten Deckensegmenten schließlich blättern die vielfältigen Farbschichten in einer reliefartigen Struktur ab, die kein Künstler schöner und vielfältiger hätte schaffen können. Die Deckenstruktur, ja der ganze Raum als Objet trouvé, die Bemalung als künstlerische Akzentuierung, der Lichteinfall schließlich mit seinen tageszeitlich bedingten Nuancierungen als hochwillkommener Nebeneffekt natürlicher Erscheinungen? Yilmaz weiß um die stillen Kräfte, die solchen verlassenen, verwunschenen, ausgebeuteten und „weggeworfenen" Orten innewohnen. Behutsam geht er auf sie ein, beläßt ihnen die Aura, die ihnen in jahrzehntelanger Be- und Abnutzung (was man ja auch positiv, als gewachsene Patina nämlich, deuten kann) zugewachsen ist, greift Farben und Werkstoffe auf, die ihm in diesem Ambiente zuträglich erscheinen und läßt sich auf leise Dialoge ein, die den genius loci zuweilen auf so subtile Art steigern, daß man die künstlerische Handschrift dahinter kaum gewahr wird. Bei „Jede Reise ist die erste" gehen 20 vom Künstler aus Gips und Holz erstellte Tische von ganz schlichter, geradezu prototypischer Form einen Dialog mit dem großen, vielfenstrigen Industrieraum ein. Die Tische wirken wie wahllos abgestellt, einige sind zusammengebrochen, weil sich Gipsverbindungen unter Witterungseinflüssen gelöst haben, sie verbleiben aber an ihrem Platz - Zeugen einer eigentümlich weiß entrückten Jetztzeitarchäologie. Gerade diese Installation macht deutlich, wie der Betrachter eingebunden wird: Er schreitet zwischen den unterschiedlich ausgerichteten Tischen einher, bezieht Positionen, stellt sich im wahrsten Sinn des Wortes dem Raum. Hinzu kommt, daß die ganze Szenerie in ein eigentümliches Licht getaucht wird, das man zunächst nicht zu ergründen vermag. Kalt und klar steht es zwischen den Metallrastern der alten Werkraumfenster. Und dann wird es einem bewusst: Alle Fensterscheiben wurden sorgsam entfernt, nirgendwo steht mehr eine Folie milchig-heller Transparenz dazwischen, es ist Licht pur - und dennoch in einem Raum mit umschließenden Wänden erfahren. Das Licht ist es denn auch, das die Installation „Schöne Helena" dominiert. Der hintere von zwei Räumen ist an allen Wänden mit Kupferblechen ausgekleidet, wobei die zwei sich gegenüber liegenden Wände in Hüfthöhe Rinnen aufweisen, in denen sich Wasser bewegt. Durch ein Fenster mit blau-gestrichenen Scheiben in der Stirnwand strömt Tageslicht ein, Licht, das auf den Kupferblechen vielfältige Brechungen erfährt und durch die Wasserreflexe noch zusätzlich in tanzende Bewegung gerät. Im vorderen Raum ist hingegen eine einzige Tafel an eine Wand gelehnt, sie wird von einer künstlichen Lichtquelle beschienen und wirft ein nuancenreiches „Sperrfeuer" von Reflexen auf die weißen Wände. Wasser und Kupfer stehen für Naturelemente, das blaue Licht für den Geist. Daß beides zur bildnerischen Einheit verschmilzt, ist sinnenhaft nachvollziehbar. Der Betrachter wird einbezogen in diesen stimulierenden Mikrokosmos, der Auge wie Ohr bemüht und über diese weite Assoziationsfelder auffächert. Adem Yilmaz' Installationen sind nicht zuletzt gekennzeichnet durch Farbe in den vielfältigsten Anwendungsformen -der Maler läßt sich also nicht verleugnen. Dennoch ist nicht Bemalung im Sinne verschönernder Oberflächenbehandlung gemeint. Die Farbe ist tragender Bestandteil der Installation - sei sie nun aufgetragen, vom Material ausgehend -(z.B. dem Kupferblech) oder durch Lichteinstrahlungen oder -brechungen hervorgerufen. Und Farbe ist immer da in den zahllosen Abstufungen gealterter Gegenstände, in den Architekturfragementen und den ganzen Räumen. Daß diese Farben sich nicht allzu leicht zu schillernder Pracht aufschwingen, sondern eher im Unscheinbaren verharren, macht die Installationen von Yilmaz so ergiebig: Man muß schon mehrfach hinschauen, sich intensiv aussetzen, sich ganz einlassen. » figgs. in corresponding gallery |