Die Parabel vom Leben als Wanderschaft ist alt wie die Mythen. Über Geschichten wie vom "Verlorenen Sohn" führt sie bis zum Wandern als des "Müllers Lust" naiver Daseinsfreude. Künstler und Philosphen hat sie beschäftigt. Selbst den Beginn unserer Zeitrechnung markiert der Überlieferung nach die Rast eines Tischlers und seiner Frau auf der Wanderschaft zur Erfüllung ihrer Gesetzespflicht. Nur kurz war, wie man weiß, ihre Ruhe: gesetzlich verordneter Mord vertrieb sie über die Landesgrenze. Aus Wandern wurde Flucht. Jetzt, am Ende des 2. Jahrtausends dieser einst so hoffnungsfroh angesetzten Zeitrechnung, sind weltweit ganze Völker auf der Flucht; Heimatlose, unterwegs zu dem idealen Ort, wo Rast zur Ruhe werden könnte.
Vor diesem Hintergrund inszeniert Adem Yilmaz mit Acryl - und Fotobildern, mit Holz - und Pappskulpturen, Metallplatten, Lichtkästen, Dia-Projektionen sein stark biographisch getöntes Schaustück "Rastplatz", eine offene Folge von sechs räumlichen Situationen. Wie der bildende Künstler herkömmlicher Arbeitsweise auf der Leinwand mit Gips oder Ton, transformiert er mit autonomen Kunstwerken seine eigene Wirklichkeitserfahrung zu einem "Rastplatz" für den nachdenklichen Zeitgenossen, zu Räumen, deren ästhetische Ausstattung dem kritischen Geist keine Ruhe läßt. Sie verweisen auf Afrika, seinen Reichtum und sein Elend, thematisieren mit Bildern von Landschaften und bedrohter Tierwelt das Problem Natur, rühren an die tiefe Sehnsucht nach Heimat als Vision.
Nur in der Farbe kann sie ihren visuellen Ausdruck finden, in jenem kraftvollen und doch so geheimnisreichen Kobaltblau, das Adern Yilaz`gesamtes Oeuvre als Leitmotiv durchziehenden Klang. Er bestimmt auch das große, mit barockem Pathos und raschem Pinsel niedergeschriebene Selbstbildnis, sein Bekenntnis zur Malerei und zu den Helden des Alltags, die wie Atlas und Sisyphos für ihre Schwerarbeit nie entlohnt werden. Ihnen zollt er seine Reverenz - ob er sich auch mit ihnen identifiziert, verrät er nicht.
Christa von Helmolt